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Das "Etwas"

Das „Etwas“

Ratlos schaute sie sich um. Es war weit und breit kein Spielzeug zu sehen. Nichts mit dem sie hätte ihre Langweile vertreiben können. Ihre kleinen zerbrechlichen Finger glitten über das lumpige Oberteil, das ihre dünnen Gliedmaßen nur teilweise verhüllte, und das keineswegs etwas gegen die Kälte machen könnte, die sich in kalten Monaten, kaltblütig über ihren zarten Körper legte. Doch jetzt herrschte eine unerträglich Hitze, die den Durst stärker machte. Es war eine drückende schwere Luft, die ihr schwer auf den Lungen lag. Sie ließ ihren Blick weiter durch die armselige Gegend streifen. Nichts Ungewöhnliches: Alte Häuser mit zerbröckeltem Gerüst. Überall lag Müll verteilt in jedem Eck. Pfützen aus Abwasser ließen einen unangenehmen Geruch aufsteigen. Eine von dem täglichen Rumtreiben in dem Dorf erschöpfte Frau, hielt einen Besen in der Hand, und versuchte die wenigen Quadratmeter, die sie mit ihrer sechsköpfigen Familie bewohnte, gründlich zu reinigen. Lumpige, unterernährte Kinder lagen träge da, in ihren Händen Überreste eines harten Brotes. Der Himmel war das einzige was farbfroh war und Fröhlichkeit ausstrahlte. Er war reinblau, was diese unerträgliche Hitze erklärte, und mit keiner einzigen, auch so winzigen Wolke, besetzt.

Ihre Augen blieben an etwas dünnes  Dunkles heften.  Die Neugier erwachte in ihrem mageren Körper und ihre grünen Augen leuchteten erfreut auf. Endlich hatte sie etwas zum Spielen gefunden. Als sich das Etwas auch noch bewegte, stieß sie einen fröhlichen Schrei aus und rannte auf es zu. War das eine Schnur? Neugierig griff ihre Hand zu dieser Schnur. Es fühlte sich kalt und schuppig an. „Komische Schnur..“, kam es ihr in den Sinn. Sie umfasste es mit beiden Händen und betrachtete es entzückt. Seit einer Woche suchte sie etwas zum Spielen. Jeden Tag im kleinen Hof. Ihre Mutter arbeitete immer in der Küche und ihr Vater bettelte immer um Geld. Eine Lebenssituation wie jede andere Familie hier auch.

Sie versuchte die Schnur zu biegen aber es war ihr zu schwer. „Vielleicht ist es ein Schal?“ Nachdenklich glitt sie über die glatte Haut des Etwas. Entschlossen legte sie es sich auf den nackten Nacken. Es bewegte sich wieder und das Mädchen lachte auf, denn es kitzelte sie. Was das wohl für ein komisches Ding ist?

Langsam umschlang es ihren gesamten Hals. Sie atmete schwer, aber es gefiel ihr. Endlich etwas zum Spielen. Sie schloss ihre Augen und genoss das Gefühl, etwas zu besitzen. Etwas einmal für sich zu haben. Das hatte sie nicht oft. Eigentlich nie.

Plötzlich spürte sie ein Brennen in ihrem Nacken. Sie öffnete blitzschnell ihre Augen und riss das Etwas von sich. Eine kleine Wunde war an ihrem Hals. Sie legte ihre Hand auf den Schmerz und Tränen bildeten sich in ihren Augen. Langsam verschwamm alles vor ihren Augen und sie sank zu Boden. Ihre schmutzigen Haare berührten nun den Boden und ihr Puls wurde mit jeder Sekunde die verging langsamer. Ihre Hand berührte das „Etwas“ und dann klappten ihre Augenlider zu. Kein Herzschlag. Kein Puls.

Als eine Frau nach einer Stunde in den Hof trat um nach ihrem Kind zu sehen, erlitt sie einen Schock: Ihr fünfjähriges Mädchen lag leblos am Boden, eine Schlange in der Hand…  Es war das normale Ende von Kindern in so einem Dorf. Einem Dorf der Armut und Mutlosigkeit…








 


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